Das sind Informationen vergangener Ereignisse.

Zwischen Wien und Kiew liegen ca. 1 300 Kilometer. Im Vergleich dazu sind es nach London 100 Kilometer mehr (also 1 500km). Am 24. Februar hat das Militär der Russischen Föderation die Ukraine überfallen und seitdem ist Krieg. In Österreich ist man an Schulen wie auch in anderen Konflikten teilweise sehr vorsichtig, Stellung zu beziehen. Teilweise wird das was in Kiew und anderen Städten geschieht noch als Ukraine-Krise bezeichnet.

Kommentar von Daniel Green

Nein, es ist keine Krise mehr, es ist Krieg. Putins Krieg.

Der Staat der Russischen Föderation (nicht: „die Russen“) ist unter Missachtung ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen in der Ukraine einmarschiert. Es wäre möglich gewesen, eine ehrenvolle Einigung zwischen den Konfliktparteien zu erzielen, doch Putin wollte keinen Frieden, Putin wollte Krieg.

Seitdem gehen Bilder um die Welt von Menschen, denen man eine Waffe in die Hand drückt, um ihre Heimat gegen die Aggressoren zu verteidigen, von Menschen, die kaum ausgebildet für den Häuserkampf eingesetzt werden sollen. Menschen fliehen und kommen am Wiener Hauptbahnhof an. Menschen, die von den beiden Staaten als wehrfähiger Männer konstruiert werden, wird aufgetragen loszumarschieren, anzugreifen oder zu verteidigen, je nachdem auf welcher Seite sie stehen. Sind Menschen, die nicht bereit sind auf andere zu schießen „Verräter“? Wie mit russischen und ukrainischen Staatsbürger:innen umgehen, die nicht dazu bereit sind, der alten Lüge Glauben zu schenken, dass es „süß und ehrenvoll“ sei „fürs Vaterlands zu fallen“? Nein, Deserteur:innen sind keine Verbrecher, sie folgen ihrem Gewissen oder wollen ihre Lieben in Sicherheit bringen. Welche:r Soldat:in kann über eine:n Deserteur:in richten. Auch ich würde aus weltanschaulichen Gründen den Dienst an der Waffe verweigern, denn die Welt hat genug Befehlsempfänger:innen.

Auch wenn es kein Militär auf dieser Welt wahrhaben will: Krieg ist ein Verbrechen gleich wer ihn führt.

There is nothing honorable in warfare. War is a dirty, disgusting business.

Yes, we need to be ready;

  • ready to engage in sincere negotiations;
  • ready to care for the wounded if negotiations fail;
  • ready to make peace now that the horrors of war are upon our siblings in the east.

Es gibt keinen Krieg, der nicht auf dem internationalen Parkett der Diplomatie geregelt werden könnte. Es ist noch nicht zu spät zu einer menschlichen Einigung zu gelangen. Jede:r soll im eigenen Wirkungsbereich tun, was getan werden kann, um Menschen, die den Gräueln des Krieges entkommen wollen, ein Leben in Frieden und Sicherheit zu gewährleisten.

Everyone can do their bit and so must we.

Es geht auch darum unmissverständlich zu signalisieren, dass die internationale Gemeinschaft auch im Kriegsfall das Prinzip menschlicher Solidarität hochhalten muss – unabhängig davon wie dieser Krieg ausgeht. Es geht nicht um Ukrainer:innen, es geht nicht um Russ:innen, es geht um Menschen. Cain, where is your brother Abel?

Es geht nicht immer darum, auf welcher „Seite“ man als Einzelperson steht. Ich kann den zahlreichen Menschenrechtsverletzungen innerhalb der russischen Föderation (z.B. die willkürliche Verhängung von Haft, die Folter, das gezielte Töten von Regimegegnern, die stetig unter mehr Beschuss geratene Pressefreiheit uvm.) gar nichts abgewinnen und es ist gut und richtig, dass der Westen die Werte der Freiheit, Demokratie, Achtung der Menschenrechte und der Rechtstaatlichkeit verteidigt. Was in der derzeitigen Lage für beide „Seiten“ fatal wäre, ist die martialische Rhetorik des „wir“ gegen „sie“, denn um die Krise zu überwinden braucht es diplomatisches Fingerspitzengefühl und nicht noch mehr Kriegsrhetorik.

Oft ist „wir gegen sie“ nicht immer so klar abgrenzbar, wie sich Machtpolitiker:innen und Kriegstreiber:innen das gerne wünschen. Wie müssen sich Menschen in der gegenwärtigen Situation fühlen, die Angehörige beider Konfliktparteien zu ihrer Familie zählen, immerhin war die Ukraine bis 1991 eine der Unionsrepubliken der UdSSR. Ist es nicht selten eine Frage auf welcher Seite der Grenze man geboren ist, die bestimmt, wer auf wen schießen muss? Das macht die Betrachtung des Völkergewohnheitsrechts und der völkerrechtlichen Verträgen so spannend – auch aus rechtslinguistischer Sicht –, denn Völkerrecht ist verkürzt gesprochen nichts anderes als hartgewordene Außenpolitik. Oft sind völkerrechtliche Verträge das, auf was sich einigen konnte und musste, weil es eben keine andere Lösung gab. Oft – nicht immer –  sind völkerrechtliche Verträge das Ergebnis gegenseitigen Gesicht Wahrens. Wenn das der Preis für den Frieden ist, sollten wir ihn bereit sein zu bezahlen.

Was ich mir für unsere Schulgemeinschaft wünsche ist, dass Russ:innen und Ukrainer:innen sich auf ihre eigene Menschlichkeit besinnen und sich geschwisterlich die Hände reichen.

Denken wir also an alle Menschen in der Ukraine und in Russland.

Denken wir an alle, die Angst um ihre Lieben haben.

Denken wir an alle, die nun Macht über Leben und Tod haben, auf dass sie für sich und andere stets das Leben wählen mögen.

Denken wir an alle, die den Krieg gewählt haben, dass sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen.

Denken wir an alle, die geflohen sind, dass sie Schutz und Zuflucht auch in unserer Mitte finden mögen.

Arbeiten wir gemeinsam am Frieden, auch wenn das für manche von uns heißt schmerzvoll zu vergeben.

 

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