Diese Informationen sind vor mehr als einem Jahr veröffentlicht worden und beziehen sich auf ein vergangenes Semester.

Nachschau von Angelo Comino. Er ist Philosoph und studiert Evangelische Theologie, im Sommersemester hospitierte er Religionsstunden im Abendgymnasium Wien


Roundtable zum Thema „Religiöse Kopfbedeckungen“ – ein Nachmittag der Fachgruppe Religion am 13. Juni 2018

Mitra, Kippah, Hidschab, Sheytl – warum machen sich so viele Religionen Sorgen um die Kopfbedeckung? Die evangelischen Schülerinnen und Schüler wollten es genauer wissen und luden Vertreter der abrahamitischen Religionen bzw. Konfessionen zu einem Roundtable ein: Yuval Katz (jüdisch), Martin Söll (katholisch), Shereen Shehabi (islamisch) und Angelo Comino (evangelisch) gingen der Frage nach, was religiöse Köpfe gerne tragen und warum. Daraus entstand eine informative und kurzweilige Diskussion, die Moritz Stroh gekonnt moderierte und die nicht nur neues Wissen vermitteln konnte, sondern auch die Möglichkeit des offenen und respektvollen Dialogs in unserer Schule bewies.

Das Judentum durfte die Ausführungen eröffnen und sorgte gleich für eine amüsante Verwirrung: Männer tragen eine Kippah, Frauen bedecken ihr Haar – so lautet die Theorie. Aber so einfach ist das nicht: In manchen Gruppierungen wollen liberale Frauen beim Vorlesen aus einer Schriftrolle eine Kippah tragen und die meisten Juden und Jüdinnen ziehen es doch vor, mit einem freien Kopf herumzulaufen. So lernten wir auch, dass was noch kein religiöses Gesetz ist, es auch bald werden kann: Die hartnäckige Befolgung eines Brauchs kann diesen mit der Zeit zu einer Vorschrift werden lassen. Dass das Judentum so dynamisch war, war uns nicht bewusst. Ah, zur Info: Ein Scheitel ist auf Jiddisch eine Perücke und zu besonderen Anlässen trägt man Füchse!

Während im Judentum eine Kopfbedeckung eine Ehrerbietung gegenüber der Gottheit ist, nimmt der Katholik in einer ähnlichen Situation den Hut ab. Das gilt auch für Kardinäle und Bischöfe, wenn sie sich in einer Kirche dem Altar zuwenden, erklärte uns Martin Söll. Die lateinischen Namen der religiösen Kopfbedeckungen konnten wir uns freilich nicht merken, aber manch eine katholische Haube weist doch Ähnlichkeiten zur jüdischen Kippah auf – reiner Zufall? Katholische Frauen trugen hingegen früher fast immer eine Kopfbedeckung, weniger aus religiösen Gründen, vielmehr als Brauch. Das sei teilweise im Burgenland immer noch so, meinte eine Mitschülerin.

Mit den Frauen ging es dann auch bei den Ausführungen der islamischen Lehrerin weiter. Sie schilderte sehr schön ihre eigene Erfahrung, die sie zum Tragen des Hidschab bewogen hat. Natürlich fehlten die kritischen Einwände der Schülerinnen nicht, aber die Antworten erläuterten sehr gut die muslimische Position aus der Sicht der Lehrerin: Das Tragen einer Kopfbedeckung diene zum Schutz der Frau, sei auf jeden Fall eine freie Entscheidung und niemand dürfe eine Frau dazu zwingen. So ganz nebenbei lernten wir, zwischen Koran und Hadith zu unterscheiden, obwohl uns die Aussprache der Wörter immer noch Schwierigkeiten bereitet. Im Übrigen waren die islamische Lehrerin aus Palästina und der jüdischer Vortragende aus Israel – und sie haben sich bestens verstanden!

Schließlich stellten die Protestanten wieder einmal alles auf den Kopf, ganz ohne Bedeckung: Manch eine Tradition kennt zwar die eine oder andere Haube, aber diese ist im Grunde für den evangelischen Glauben komplett unbedeutend. Viel wichtiger als das, was auf dem Kopf getragen wird, ist das, was im Kopf gedacht wird: Überhaupt nicht irrelevant seien zum Beispiel die Gleichstellung von Mann und Frau, die Wahrung der Gewissensfreiheit und ein offenes Ohr – auch in Bezug auf die Kopfbedeckung. Ein offenes und neugieriges Ohr hatten aber im Roundtable wirklich alle Religionen, die sich zum Schluss zu einer zweiten Folge im nächsten Schuljahr verabredeten.

 

 

Diese Informationen sind vor mehr als einem Jahr veröffentlicht worden und beziehen sich auf ein vergangenes Semester.







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